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PSYCHOONKOLOGIE:

DIE NOTWENDIGKEIT INTERNATIONALER STANDARDS FÜR PSYCHOTHRAPIE
BERATUNG UND FORTBILDUNG

O. Carl Simonton M.D.

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Aus der wissenschaftlichen Literatur geht eindeutig hervor, daß eine begleitende Psychotherapie bzw. Beratung bei der Behandlung einer Krebserkrankung von großer Bedeutung ist. Dazu wurden vier vorläufige Studien und zwei randomisierte Kontrollstudien durchgeführt. In diesen Studien konnte gezeigt werden, daß es durch eine psychotherapeutische Intervention zu einer beträchtlichen Erhöhung der Anzahl der Langzeitüberlebenden, zur Verdoppelung der erwarteten Überlebenszeit sowie zur Verbesserung der Lebensqualität bei den betreffenden Patienten kommt.

Die randomisierten Kontrollstudien wurden von F. I. Fawzy, UCLA und David Spiegel, Stanford durchgeführt. Fawzy schlußfolgert in seinem Artikel, daß durch Interventionen, die zu einem effektiveren Umgang mit der Krankheit und zur Auflösung von emotionalem Schmerz führen, sowohl das Überleben, das Tumorwachstum als auch die Lebensqualität beeinflußt werden können.

Zu den Mechanismen, mit denen unsere Emotionen den Gesundheitszustand auf zellulärer Ebene beeinflussen, gehören:

  1. Direkte Nervensystemverbindung (es wurde gezeigt, daß Nervenfasern direkt auf der Oberfläche von weißen Blutkörperchen enden). Diese direkte Nervensystemverbindung wurde zuerst 1981 von Felten & Bullock entdeckt. Vernon Riley hatte bereits 1975 eine Hypothese über die Existenz dieser Verbindung aufgestellt.

  2. Kommunikationsnetzwerk von Informationsmolekülen (Neuropeptide und assoziierte Moleküle). Einige der ersten Experimente auf diesem Gebiet, das als Psychoneuroimmunologie bezeichnet wird, wurden von Metalnikov am Pasteur-Institut in Paris durchgeführt. In diesen Studien konditionierte er das Immunsystem von Versuchstieren mit Hilfe der Pawlowschen Konditionierung. Diese frühen Experimente aus den 30er Jahren wurden Anfang der 70er Jahre, also erst 40 Jahre später, von Ader und Cohen wiederholt. Ader und Cohen veröffentlichten 1981 ein Buch mit dem Titel “Psychoneuroimmunology”, wodurch die Bezeichnung für diesen Forschungsbereich formell etabliert wurde. Die Informationsmoleküle werden auch als das molekulare Äquivalent der Emotionen bezeichnet.

  3. Hormonsystem – Hans Selye hat in den 40er und 50er Jahren Pionierarbeit geleistet, die zum Verständnis der physischen Folgen von anhaltendem emotionalem Schmerz führte. Seine Arbeit begründete den jetzt allgemein üblichen Begriff „Streßhormone“. Simonton Cancer Center Alle diese Mechanismen wirken sich auf Produktion, Reife und Modulation von Immunzellen aus und beeinflussen auch die anderen Heilsysteme des Körpers. Obwohl außer Frage steht, daß eine psychotherapeutische Intervention bei der Behandlung von Krebs von beträchtlichem Wert sein kann, darf hierbei nicht vergessen werden, daß durch eine ungeeignete Behandlung großer Schaden angerichtet werden kann. Einige der hierbei häufig auftretenden Probleme sind:

  4. Prozesse, die Gefühle von Schuld und Versagen beim Patienten erzeugen, ohne daß der Therapeut über die entsprechenden Fähigkeiten zur Auflösung des emotionalen Schmerzes verfügt.

  5. Unbegründete Hoffnung durch übertriebenes Konzentrieren auf positives Denken und zu vereinfachtes Vorgehen beim Visualisieren (Einsatz der Vorstellungskraft im Heilprozeß).

  6. Mangelndes Verständnis für die Problematik von zu starker Ergebnisverhaftung. Dies betrifft z. B. die Notwendigkeit, Leben und Tod miteinander in Einklang zu bringen: Ich möchte leben, ich bin aber auch bereit zu sterben, und wenn ich nicht bereit bin zu sterben, was muß ich tun, um zu dieser Bereitschaft zu gelangen. Einer der wichtigsten Aspekte der Vorbereitung auf den Tod ist die Entwicklung einer gesünderen Einstellung zum Tod.

  7. Nachdem ich mich mehr als 30 Jahre mit den Zusammenhängen von Körper, Geist und Krebs beschäftigt habe, gibt es einige Dinge, die mir ernsthaft Sorgen bereiten. Eine der problematischsten Fragestellungen gründet sich auf die Beobachtung, daß obwohl der Bereich der Geist- Körper- Medizin gegenwärtig viel mehr akzeptiert ist als vor 25 Jahren, er dennoch zu wenig Anerkennung erfährt und auf unzureichendem Niveau praktiziert wird. Zweifellos wird landläufig davon ausgegangen, daß die Psyche den Verlauf einer Erkrankung auch im Fall von Krebs beeinflussen kann; die vorherrschende Überzeugung ist jedoch, daß dieser Einfluß nur minimal ist. An den medizinischen Fakultäten gibt es keine einheitliche Ausbildung für den Bereich Geist-Körper-Medizin, was eine große Unzulänglichkeit des Medizinstudiums darstellt..

Für diese falsche Einschätzung der Rolle der Psyche gibt es mehrere Gründe. Mit der wachsenden Popularität der Geist-Körper-Medizin wird viel zu diesem Thema geschrieben, und zahlreiche Autoren präsentieren sich als Experten auf diesem Gebiet, obwohl sie über keine fundierte bzw. gar keine Ausbildung verfügen. Für Menschen, die Selbsthilfegruppen leiten, ist Fortbildung genauso wichtig wie in allen anderen Bereichen von Beratung bzw. Psychotherapie. Es liegen keine einheitlichen Richtlinien für den wirksameren Umgang mit der Krankheit und der Auflösung von emotionalem Schmerz vor. Vor diesem Hintergrund entsteht der allgemeine Eindruck, daß dafür keine fundierte bzw. gar keine Ausbildung erforderlich ist. Dies trägt zur mangelnden Anerkennung in diesem wichtigen Bereich bei. Einige dieser Probleme werden von den führenden Vertretern dieses Bereiches allerdings auch selbst verursacht. Eine international anerkannte Kapazität der Psychoonkologie wurde vor kurzem in der Tageszeitung „USA Today“ mit der Feststellung zitiert, daß die Psyche der Patienten in Fällen von Krebs im Anfangsstadium von entscheidender Bedeutung sein kann. Im fortgeschrittenen Stadium überlagere die Biologie des Krebses jedoch den subtilen Einfluß der Psyche. Solche falschen Darstellungen der Kraft der Psyche und des menschlichen Geistes haben entscheidend zu der geringen Wertschätzung beigetragen, die wir unserer Psyche und der Fähigkeit unserer Emotionen beimessen, die inneren Heilkräfte unseres Körpers zu beeinflussen. Diese Faktoren weisen auf die Notwendigkeit von Standards sowohl für die psychotherapeutische Begleitung / Beratung als auch für die Ausbildung von Therapeuten bzw. Beratern hin. Die Frage nach einer psychotherapeutischen Begleitung von Krebspatienten muß mit der Frage nach der Zielstellung beginnen. Die Ziele, auf die man sich geeinigt hat, sind:

  • Verbesserung der Lebensqualität – darauf muß das Hauptaugenmerk der Therapie liegen

  • Wesentliche Beeinflussung des Krankheitsverlaufs

  • Verbesserung der Qualität des Sterbens

Nachfolgend sind die zehn wichtigsten Aspekte einer Psychotherapie / Beratung für Krebspatienten aufgeführt:

  1. Die Therapie muß sanft sein und die Verletzlichkeit des Kranken respektieren.

  2. Die Therapie muß sich auf das konzentrieren, was der Einzelne richtig macht und nicht auf das, was er nicht richtig macht. Das bedeutet, sich mehr auf die Stärkung bestehender Bewältigungsstrategien zu konzentrieren als auf ungesunde Verhaltensweisen.

  3. Die Therapie muß den Patienten in die Lage versetzen, für sich selbst aktiv werden zu können. Die Patienten müssen lernen, ihre Realität selbst zu interpretieren, anstatt eine Interpretation ihrer Realität zu erhalten.

  4. In der Therapie müssen Kenntnisse vermittelt werden, es muß der Zusammenhang zwischen Glaubenshaltungen und Emotionen aufgezeigt werden. Es ist zu zeigen, wie gesunde von ungesunden Glaubenshaltungen unterschieden und auf welchen Wegen Glaubenshaltungen verändert werden können. Simonton Cancer Center

  5. Vermittlung des wirksamen Einsatzes der Visualisierung, d. h. der Vorstellungskraft im Heilungsprozeß.

  6. Wirksame Auflösung von emotionalem Schmerz, insbesondere von Gefühlen von Schuld und Versagen, Angst, Wut, Hoffnungslosigkeit usw. „Wir tun immer das Beste, zu dem wir mit den Informationen und den Mitteln, die uns zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, in der Lage sind.“ In diesem Satz drückt sich ein Konzept aus, das eine der wesentlichen Methoden im Umgang mit Schuld darstellt.

  7. Vermitteln von Entspannungstechniken und der großen Bedeutung von neutralen Emotionen wie Ruhe, Gelassenheit und innerem Frieden ist wichtiger Bestandteil des therapeutischen Prozesses.

  8. Eingehen auf Fragen von Unterstützungssystemen und Kommunikation. Den Unterstützungspersonen wird die Fähigkeit vermittelt, sich auch um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Gleichzeitig wird auf die Grundelemente einer effektiven Kommunikation eingegangen.

  9. Hilfe für den Patienten, die Bedeutung der Krebserfahrung für sich persönlich zu erfassen.

  10. Das effektive Eingehen auf den beträchtlichen Schmerz, der mit philosophischen, religiösen oder spirituellen Glaubenshaltungen einhergeht, ist von großer Bedeutung. Die Entwicklung von standardisierten Konzepten und einer Standard-Nomenklatur spielt eine entscheidende Rolle für eine wirksame Psychotherapie. Der mit philosophischen, religiösen oder spirituellen Glaubenshaltungen einhergehende Schmerz kann auf die gleiche grundlegende Art behandelt werden wie emotionaler Schmerz im allgemeinen.

Das Therapieprogramm des Simonton Cancer Center (Simonton Krebszentrum) umfaßt nachfolgende Themen. Jedes dieser Themen ist noch einmal spezifisch strukturiert:

  1. Das Bestimmen der Dinge, die dem Leben Sinn geben, der Aktivitäten, die Gefühle der Freude und tiefe Erfüllung erzeugen. Der Patient soll fünf oder mehr dieser Aktivitäten benennen und damit beginnen, mehr Zeit dafür einzuplanen. Mit den Störfaktoren soll er sich erst dann auseinandersetzen, wenn sie auftreten. Hierbei handelt es sich am häufigsten um Schmerz, der durch ungesunde Glaubenshaltungen hervorgerufen wird.

  2. Kognitive Restrukturierung als eine wichtige Methode zur Auflösung von Schmerz. Dieser Prozeß wirkt bei der Bewältigung von emotionalem und physischem Schmerz und ist zusätzlich zu schon bestehenden Bewältigungsstrategien einzusetzen. Simonton Cancer Center

  3. Visualisierung, d. h. der Einsatz von Gedanken und Vorstellungskraft im Heilungsprozeß.

  4. Hoffnung, Glaube, Lebenszweck, innere Weisheit und grundlegende Spiritualität. Dabei sind die Begriffe „philosophisch“, „religiös“ und „spirituell“ untereinander austauschbar. Ungesunde spirituelle Glaubenshaltungen führen zu Schmerz. Dieser kann unter Verwendung der gleichen Grundmethode wie bei der Bewältigung von emotionalem Schmerz aufgelöst werden.

  5. Die entscheidenden Muster von Streßsituationen und Krankheitsgewinn werden zugrunde gelegt, um die Bedeutung der Krebserkrankung herauszufinden. Diese Muster helfen beim Erkennen von Zeiten erhöhter Anfälligkeit für Streß. Der Krankheitsgewinn hilft beim Erkennen von wichtigen Bedürfnissen, die dann in den Gesundheitsplan eingebaut werden.

  6. Die Bedeutung von Unterstützung durch die Umwelt und Prinzipien zur Verbesserung der Kommunikation. Eingegangen wird auf Fragen der Ergebnisverhaftung sowie auf allgemeine Fragen fehlerhafter Kommunikation.

  7. Glaubenshaltungen zum Thema Tod und Wiederauftreten der Krankheit einschließlich wichtiger Fragen der Ergebnisverhaftung. Ebenso wird auf die mit dem Thema Tod zusammenhängenden philosophischen, religiösen und spirituellen Glaubenshaltungen eingegangen.

  8. Aufstellung eines entsprechenden Zwei-Jahres-Gesundheitsplans. Dies erfolgt auf Grundlage der dem Leben Sinn verleihenden Aktivitäten und der vor dem Hintergrund des Krankheitsgewinns erkannten Bedürfnisse. Wir hatten Gelegenheit, mit diesem Therapiemodell in unterschiedlichen Kulturen in Nord- und Südamerika, West- und Osteuropa sowie Asien zu arbeiten. Die Grundprinzipien der psychotherapeutischen Begleitung von Kranken scheinen von weltweiter Gültigkeit zu sein. Natürlich sind für die einzelnen Kulturkreise kleinere Modifizierungen erforderlich, größere Veränderungen zu diesem Standardvorgehen haben sich jedoch nicht als notwendig erwiesen.

Unser Weiterbildungsprogramm beruht auf der Vermittlung von Fähigkeiten, die im Rahmen einer Patientenwoche mit psychotherapeutischer Begleitung erarbeitet werden. Die Teilnehmer der Weiterbildung müssen dreimal je eine Patientenwoche mit jeweils erhöhtem Grad an Verantwortung unter fortlaufender Supervision erfolgreich absolvieren. Bevor die Weiterbildung auf der nächsthöheren Ebene fortgesetzt werden kann, sind unter Umständen vorhandene Defizite durch zusätzliches Arbeiten unter Supervision in den entsprechenden Bereichen zu beheben.

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